Die Bibliothek

11
Jul
2006

Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt

[First and Last and Always]

Der erste Satz:

Im September 1828 verließ der größte Mathematiker des Landes zum erstenmal seit Jahren seine Heimatstadt, um am Deutschen Naturforscherkongreß in Berlin teilzunehmen.

Der letzte Satz:

Er stopfte den letzten Tabak in seine Pfeife, ging zum Bug und stand dort so lange mit vom Wind tränenden Augen, bis sich etwas im Abenddunst abzeichnete, durchscheinend zunächst und noch nicht ganz wirklich, aber dann immer deutlicher, und der Kapitän lachend antwortete, nein, diesmal sei es keine Chimäre und auch kein Wetterleuchten, das sei Amerika.
in: Die Bibliothek

10
Jul
2006

Mächtige Gewohnheiten

Es ist mit dem Lesen wie mit dem Rauchen und mit allen anderen mächtigen Gewohnheiten: Wenn man sie sich wirklich angewöhnt hat, dann sind sie ein selbstverständlicher und integraler Teil des Lebens, dann stellt sich die Frage gar nicht, ob man Zeit dafür hat oder nicht, dann hat man Zeit - so selbstverständlich wie fürs Essen und fürs Atmen.
(Sigrid Löffler)
in: Die Bibliothek

6
Jul
2006

Angst vor der Versuchung

Die Menge der Bücher beunruhigte ihn. Es war fast, als könnten ihn die Millionen von Argumenten zwischen den Buchdeckeln zu Dingen verführen, die er nicht tun wollte. Bücher waren Teil seines Lebens, seines Berufs, doch das änderte nichts an der Hassliebe, die er für sie empfand. So wie manch einer Menschenmengen mied, ging Jupiter größeren Ansammlungen von Büchern aus dem Weg. Er empfand ihnen gegenüber die gleiche Scheu, die andere im Angesicht eines Hypnotiseurs verspürten: Er wusste um ihre Macht, zu verführen, zu beeinflussen, Menschen zu verändern. Insgeheim hatte er den irrationalen Verdacht, dass es gar nicht nötig war, sie zu öffnen, um den Geist aus der Flasche zu lassen.

~ aus: Kai Meyer, "Die Vatikanverschwörung" ~
in: Die Bibliothek

3
Jul
2006

Juni-Auslese

- Ian McEwan, Saturday (2005):

Ein Neurochirurg lässt sich auf einen Streit mit einem kleinen Straßenkriminellen ein und bringt so an einem einzigen Tag seine kleine wohlgeordnete Welt zum Umbruch.

Ein Buch, das die Herzen der Feuilletonisten erobert hat - die alten "bösen" Romane und Geschichten von McEwan fand ich um einiges eindrucksvoller und die hätten auch keine zwei oder wie viele Jahre auch immer Recherche bei einem Neurochirurgen erfordert. Sauberes Handwerk, mittelmäßige Lesefreude: [***]

- Jacques LeGoff, Ritter, Einhorn, Troubadoure. Helden und Wunder des Mittelalters (2005):

Ein großformatiges prächtig bebildertes Werk, das eine ausgesuchte Schar illustrer realer und fiktiver Figuren (Karl der Große, Robin Hood, Orlando furioso ...) aus dem Mittelalter vorstellt, die - nicht nur - die mittelalterliche Bildwelt beeinflussten/prägten.

Prädikat lohnenswert und informativ: [****]

- Kai Meyer, Die Geisterseher (1995)


uhuuh, Kai Meyers erster "historischer" Roman - ein Sammelsurium an realen Persönlichkeiten wie Goethe, Schiller, E.T.A. Hoffmann und als Helden, die Gebrüder Grimm, die aberwitzige geheimbündlerische Dinge tun und in fantastische Geschichten geraten.

Viel zu viel historisches Personal - damit funktioniert die Fiction leider nicht mehr. Dazu noch ein wenig holprig und naiv herunter erzählt, aber immerhin ein guter Start für Herrn Meyer als historischer Märchenschreiber und damit verdiente [***]

- Kai Meyer, Der Rattenzauber (1995)


Ist da schon ein wenig besser. Die historische Kulisse des mittelalterlichen Hameln, die alte Sage vom Rattenfänger und fix ein buntes abenteuerliches Märchen darum gewoben, in dem auch noch viel Blut fließt.

Die Spannung steigt, ich habe mich gut unterhalten [****]

- Wolfgang Hohlbein, Die Templerin (2000)

Tja, ich wollte einmal den Fürst der deutschen Fantasy kennen lernen - war wohl das falsche Buch. Eine langweilige Geschichte, von einem Mädchen, das nach einem Überfall bei den Templern Unterschlupf findet und noch dazu einen "heidnischen" Lover.

Ach nee und dann alles so brav runter geschrieben und so konstruierte Figuren und Dialoge, das gibt [**]

- Stephen King, Das Leben und das Schreiben (2000)

Viel gelobt und nun habe ich es auch mal gelesen. Stephen Kings beeindruckende Lebensbeichte plus "Tipps zum erfolgreichen Schreiben" kann man auch Leuten, die ihn nicht wirklich mögen, empfehlen.

Gut geschrieben, unterhalt- und einfühlsame biographische Momente und die Schreibtipps, naja, nicht sonderlich neu, aber auch gut angeleuchtet. [*****]
in: Die Bibliothek

Musik für Eden

Da bin ich schon gespannt drauf:

Im Herbst soll eine CD herauskommen mit Musik, die eigens für Kai Meyers "Buch von Eden" komponiert wurde.

Auf der Webseite von Kai Meyer wird weitere Info in Bälde angekündigt, die Lieder sollen alle schon fertig komponiert sein.
in: Die Bibliothek

6
Jun
2006

Die Geisterseher

von Kai Meyer habe ich letzte Woche bei buchticket ertauscht und heute lag der Roman auch schon auf meinem Schreibtisch.

Tja, da muss "Die Gesamtausgabe der Lehrhefte für Kabbala" nun noch ein wenig warten, denn es ist einfach zu schön, dass da ein (deutscher, zeitgenössischer!!) Autor hergeht und sich traut, bunte klassisch-fantastische Abenteuer/Märchen vor einer historischen Kulisse (intelligent!) zu fabulieren und es macht dringlichen Spaß sie zu lesen.

Und Dank buchticket wächst die Kai Meyer-Sammlung langsam aber sicher.

[Meine bisherigen Favoriten sind "Die Alchimistin" (immer noch), "Loreley" und "Das Buch von Eden".]
in: Die Bibliothek

6
Jan
2005

Ann Patchett, Bel Canto

2001

Ann Patchetts Idee zu ihrem Roman "Bel Canto" beruht auf der einer Geiselnahme in der japanischen Botschaft durch Guerillas in Lima 1996, die erst vier Monate später beendet wurde.

Auch im Roman spielen Japaner eine große Rolle: Herr Hosokawa, japanischer Geschäftsmann und Opernfan, ist zu Gast in einem namenlosen südamerikanischen Land. Eine für ihn arrangierte Geburtstagsfeier soll ihn wohlwollend stimmend, in dem wirtschaftlich schwachen Land eine Filiale seiner Firma zu errichten.

Als Ehrengast eingeladen ist die begnadete amerikanische Operndiva Roxane Coss: der perfekte Rahmen für ein unvergessliches Fest. Plötzlich wird es dunkel, es fallen Schüsse, und alles nimmt ein jähes Ende.

Abgeschnitten von der Außenwelt und in tödlicher Gefahr, durchlebt die exklusive Gästeschar die Schrecken einer Geiselhaft – und zugleich die kostbarsten Momente ihres Lebens durch die Kraft der Musik.

["Eines jener seltenen Bücher, die man sich eigentlich zwischendurch verbieten möchte, damit man sie nicht so schnell verschlingt – und so lange wie möglich im Paradies bleiben darf," schreibt die "Brigitte" und ich kann mich dieser Kritik nur anschließen.

"Bel Canto" ist ein kleiner literarischer Schatz, dem man zumindest jedem Liebhaber der klassischen Musik wärmstens an Herz legen sollte.

Die geschilderten Szenarios sind nicht wirklich realitätsnah, doch das scheint auch nicht die Absicht der Autorin gewesen zu sein. Viel wichtiger ist die Thematik der musikalischen Initiation der Figuren. Patchett hat in der Villa des Vizepräsidenten einen Mikrokosmos geschaffen, in dem Geiseln und Geiselnehmer eine seltsame Symbiose eingehen und Erfahrungen machen, die Leben verändern könnten - alles ausgelöst und verbunden durch die Musik von Roxane Coss.

Beeindruckende Charaktere, eine gut erzählte Geschichte und ein - obwohl man es nicht anders erwartet - berührendes Ende.

Schön!]
in: Die Bibliothek

4
Jan
2005

Elke Heidenreich, Kolonien der Liebe

1992

Neun ironische, zärtliche oder melancholische Geschichten über die Liebe in unserer Zeit.

"Kolonien der Liebe", das sind die zufälligen Orte auf dieser Welt, die, vorübergehend, ein wenig Wärme ausstrahlen, aber es sind auch die Orte, an denen Leid, Hass und Kälte die Liebe totschlagen.

[In meinem Englischkurs stellte ich kürzlich die Aufgabe, ein Buch oder eine Geschichte vorzustellen. Eine meiner Teilnehmerinnen wählte eine Kurzgeschichte von Elke Heidenreich und als ich interessiert nachfragte, brachte sie mir die "Kolonien der Liebe" zur nächsten Kursstunde mit.

Nun ist das Buch ja schon ein paar Tage alt und es hatte mich ehrlich gesagt, nie weiter bekümmert, da ich der Meinung war, die Geschichten wären im Stil von Heidenreichs regelmäßiger Kolumne in einer großen Frauenzeitschrift oder ihrer Figur der "Else Stratmann" - beides nicht so ganz mein Geschmack.

"Kolonien der Liebe" hat mich jedoch positiv überrascht: neun Geschichten, die sich am besten mit "bittersüß" beschreiben lassen. Die "Liebesgeschichten" finden allesamt kein gängiges Happy End, die Figuren sind aus dem Alltag, krisengebeutelt und etwas depressiv - dennoch versteht die Autorin es bestens ihre Storys und Akteure mit einem kleinen Zwinkern zu präsentieren und gerade das macht sie sympathisch.

Meine persönlichen Favoriten sind "Die Liebe", "Erika" und "Das Herz kaum größer als die Leichenfaust".

Sehr lohnenswerte Lektüre für kalte Tage.]
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2
Jan
2005

David Sedaris, Holidays on Ice

1997

"Holidays on Ice" versammelt fünf böse Geschichten des Autors zum Thema Weihnachten.

Die Weihnachtszeit kann schon nervenaufreibend sein, vor allem als Zwerg im größten Kaufhaus der Welt, bei Macy's. Denn es glaube keiner, daß es nur eine Art von Zwergen gibt: "An einem x-beliebigen Tag kann man Eingangszwerg, Trinkwasserzwerg, Brückenzwerg, Eisenbanhzwerg, Irrgartenzwerg, Ladentischzwerg, Zauberbaumzwerg, Zeigezwerg, Weihnachtsmannzwerg, Fotozwerg, Platzanweiserzwerg, Kassenzwerg, Rennzwerg oder Ausgangszwerg sein."

Für den höflichen Fotozwerg ist es alles andere als leicht, den stolzen Familien verständlich zu machen, dass sie die eben geschossenen Fotos ihrer Kinder erst im Januar erhalten werden. Ein leidender Theaterkritiker berichtet von seinen Erfahrungen mit unsäglichen Schüleraufführungen von Krippenspielen und Weihnachtsmärchen. Eine Ehefrau schreibt einen "Weihnachtsbrief" und erzählt Freunden und Bekannten von einer unerwartet aus Vietnam aufgetauchten Tochter, die die Familie zerstört.

Aus diesem Stoff sind die kleinen und großen Tragödien, die hinter jeder Ecke lauern und von denen David Sedaris berichtet.

[Die großen und kleinen Tragödien von "Holidays on Ice" haben mich zum Großteil enttäuscht, da die Geschichten bis auf die Erlebnisse als "Weihnachtszwerg" eher langweilen und einen pseudo-sozialkritischen Ton anschlagen, der mir misfällt. Kleine Lektüre für Zwischendurch.]
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20
Dez
2004

Wolfram Fleischhauer, Das Buch, in dem die Welt verschwand

2003

Man schreibt das Jahr 1780. Große Ideen durchziehen das Land. Mystische Zirkel und Geheimbünde blühen allerorten. In der fränkischen Grafschaft Alldorf ist es zu merkwürdigen Todesfällen gekommen, und der junge Arzt Nicolai Röschlaub soll bei der Aufklärung helfen. Ist ein bislang unbekanntes Gift im Umlauf? Bahnt sich eine Verschwörung an?

Je tiefer Nicolai dringt, desto unheimlicher wird der Fall. Plötzlich erhält er den Befehl, seine Nachforschungen einzustellen. Er weigert sich und gerät dadurch selbst in Lebensgefahr. Mit einer jungen Frau, die mehr über die Vorfälle zu wissen scheint, als sie zugeben will, flieht er an die äußerste Grenzen des Reiches - und macht eine Entdeckung, die seine Vorstellungskraft sprengt ...

[Je nun, noch einmal Geheimbünde und munkelnde mauschelnde Dunkelmänner. Zugegebenermaßen lese ich diese Bücher gern und das trotz Dan Brown.

Hier hat mich der Titel angezogen, denn der klingt, als ginge es um Literatur und vielleicht metafiktionale Rätselwelten. Da lag ich mit meinen Vermutungen aber denn doch etwas daneben, geht es hier doch eher um Philosophie und hierbei um das Verschwinden der bis dato bekannten Weltsicht durch Kants Werk "Kritik der reinen Vernunft".

Ich ordne das Buch ins Regal Unterhaltungsliteratur mit einer kleinen Portion intellektuellem Anspruch. Zwar beschäftigt es sich mit hochbrisanten philosophischen Themen, doch Otto Normalleser dürfte davon zu wenig Ahnung haben und für Philosophen ist der Roman schlichtweg zu banal. Nun ärgere ich mich grundsätzlich über Autoren, die ihren Lesern ihr gesamtes Wissen um die Ohren schlagen, aber ein kleiner Exkurs zur Geschichte und Philosophie wäre hier wünschenswert gewesen.

Was bei Fleischhauer anfangs spannend ist, wird mehr und mehr zum Ärgernis, muss man sich doch erst durch 75 Prozent des doch recht umfangreichen Buches lesen, um überhaupt zu ahnen, worum es geht. Auch bleibt unklar, warum Geheimlogen und Dunkelmänner und -frauen ihre - für uns kaum nachvollziehbaren - Werte denn mit brutalstem Mord und Todschlag beschützen müssen.

Es mag zwar durchaus im Sinne des Autors gewesen sein, den Leser ebenso naiv zu halten, wie den Helden, doch der Überraschungseffekt bleibt schlussendlich - obwohl unerwartet - lau.

Ein Buch, in dem man sicher viel entdecken kann, aber nicht muss. Von Wolfram Fleischhauer werde ich mir aber bei Gelegenheit noch etwas zu lesen holen, um mir ein Urteil bilden zu können.]
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absimilard (Gast) - 28. Mär, 09:39
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pirmasenser - 13. Mär, 02:05
:-)
Freut mich :) Liebe Grüsse also aus Bottrop anner Emscher Sonja
Ischma (Gast) - 13. Mär, 01:24

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